Tischgespräch

Musiker, Komödiant, Künstler – Entertainer mit schwäbischem Herz und Seele

25.11.2020 | 08:52

Ernst Mantel

Der Comedian und Liedermacher Ernst Mantel feierte Erfolge in ganz Deutschland 

Fragt man Ernst Mantel, was er sei, Liedermacher oder Comedian, dann lautet seine Antwort »ein liedermachender Comedian«. Er liebt den Auf- tritt auf der Bühne und die Unterhaltung seines Publikums, und das bereits seit 40 Jahren. Und ist sich und dem Schwäbischen treu geblieben, egal ob als Solokünstler oder in Comedy-Teams.

Wir treffen einen sehr entspannten Ernst Mantel zur Mittagszeit zu unserem Tischgespräch. Schon beim Eintreffen erzählt er, dass er den „Löwen“ schon lange kennt und hier schon einige Familienfeiern stattfanden. Nur das Restaurant Ursprung sei ihm neu, und er freue sich darauf, beim Gespräch das Menü genießen zu dürfen. Er ist von Abtsgmünd-Laubbach nach Zang gefahren, dem Teilort von Königsbronn, indem sich auch das Restaurant Ursprung befindet. Der Ostalb-Entertainer nimmt das Interview quasi als Zwischenstopp, denn im Anschluss muss er direkt weiterfahren zu einem Abendauftritt.

Heute steht noch ein Auftritt an. Wie war das Jahr 2020 bislang für Sie?

Es ist auf jeden Fall sehr schön, wieder auf der Bühne stehen zu können. Auftritte hatten wir Unterhalter, überhaupt alle Künstler ja einige Monate überhaupt nicht. Insofern freue ich mich sehr auf den Abend vor Publikum.

Das Jahr war natürlich für alle bescheiden, vor allem weil wir alle gar nicht wussten und wissen, wie sich die Dinge entwickeln. Der Lockdown hat uns Künstler alle massiv getroffen. Und natürlich haben auch einige Kollegen große Existenzängste. Ich habe mich von der allgemeinen Panik aber nicht mitreißen lassen, sondern diese Zeit einfach genutzt, um Ideen für neue Stücke zu sammeln. Und ich habe auch einfach genossen, Zeit zu haben und nicht immer von Termin zu Termin zu denken und zu fahren, wie es sonst mein Alltag ist. Dieses entschleunigte Leben war auch nicht schlecht.

A propos Alltag: Sie stehen schon vier Jahrzehnte auf der Bühne. Wie fing das eigentlich alles an?

Meine Begeisterung für Musik kommt sicher schon aus meinem Elternhaus, wir haben zuhause schon musiziert. Meine eigentliche Karriere hat aber mit der „Kleinen Tierschau“ begonnen. Wir drei Jungs kannten uns schon aus der Schule, hatten schon immer Spaß an Musik, sind auch ab uns zu zusammen aufgetreten bei Partys, immer mit Kostümen und mit Bühnenansage, Choreographie und so weiter. Das war für uns schon damals ein Heidenspass. Nach dem Abitur wollte ich dann natürlich wie alle anderen studieren. Nach einem sehr kurzen Abstecher nach München, wo man zu spät feststellte, dass ich mit einem baden-württembergischen Abitur gar nicht hätte anfangen dürfen, Kunstgeschichte zu studieren, bin ich nach Tübingen gezogen, wo auch die anderen mittlerweile waren. Dort war ich an der Uni für Kunstgeschichte, Geschichte und Italienisch eingeschrieben. Und dort haben wir drei dann auch die „Kleine Tierschau“ gegründet. Um Geld zu verdienen, traten wir damals auch in der Stuttgarter Fußgängerzone auf. Hier hat uns ein TV-Mann vom SWR gesehen und eingeladen zu einem Auftritt.

Da es damals eigentlich Comedy nicht gab, und auch nicht unser Genre Musik-Comedy, waren wir etwas Neues und wurden immer wieder gebucht. Wir kamen an. Bei einem unserer Auftritte sah uns auch der berühmte Alfred Biolek, der uns von da an gefördert hat. Und zwar über die Grenzen des Ländles hinaus. Wir hatten irgendwann zwischen 120 und 200 Auftritte im Jahr, und die überall in der Bundesrepublik. Ich kann mich daran erinnern, dass das Publikum in Berliner Clubs oder in Essen uns gefeiert hat. Ein Wahnsinn eigentlich, wenn man bedenkt, dass wir einfach schwäbisch gesprochen und gesungen haben. Das waren unsere ersten Erfolge.

Das klingt sehr zeitintensiv…

Ja, das war es auch. Wir haben Deutschlandtouren gemacht, dazwischen an unseren Choreographien gefeilt, die wir unbedingt in der Show haben wollten. Am Anfang war das mit Studium und Künstlerkarriere noch ok, aber nach ein paar Jahren kam ich wegen Proben, Auftritten und der Herumreiserei eben gar nicht mehr zum Studieren. 1985 habe ich dann mein Studium auf Eis gelegt, denn ich dachte, dass ich auch später noch fertig studieren könnte. Stattdessen habe ich mich, und die anderen auch, ganz auf „Die kleine Tierschau“ konzentriert.

Wie hat Ihre Familie auf diese Entscheidung reagiert und Ihr Umfeld?

Naja, meine Eltern waren, gelinde gesagt, erst einmal nicht begeistert. So eine Bühnenkarriere ist ja auch nicht unbedingt einkommenssicher, und sie haben sich eben Sorgen gemacht, ob ich denn meine Frau und später meine Familie mit einem solchen Job ernähren könnte. Zum Glück ist alles gut gegangen und es war sogar ein Eigenheim drin. (Ernst Mantel lacht verschmitzt) Meine Frau hat ja auch Kunstgeschichte studiert, und sie war außerdem für uns tätig, denn bis unser erstes Kind auf die Welt kam, war sie für unsere Bühnenkostüme verantwortlich. Sie hat diese entworfen, genäht und war auch voll mit dabei, auch auf den Reisen.

Mit der kleinen Tierschau sind Sie ganz schön weit herumgekommen …

Oh ja, wir waren in ganz Deutschland unterwegs. Und wir sind zusammen damals sogar einmal im Jahr nach New York geflogen, um uns neue Inspirationen und professionelle Unterstützung zu holen. Zum Beispiel haben wir extra Steptanz-Unterricht bei einem der Top-Broadway-Choreographen genommen, alles für unsere Show. Klingt spektakulär, oder? Damals sind wir einfach in das Tanzstudio gegangen und haben uns für10Dollar pro Stunde den Tanzunterricht gegönnt. Uns hat das vom Können her total weitergebracht, auch wenn unser Tanzlehrer wahrscheinlich ganz andere Kaliber trainiert hat. Das war schon eine tolle Zeit.

ZUR PERSON

Geboren 1956 in Schwäbisch Gmünd. Aufgewachsen in Heuchlingen/Ostalbkreis, als eines von vier Kindern.

Grundschule Heuchlingen, Realschule Leinzell, Gymnasium Heubach und Scheffoldgymnasium Schwäbisch Gmünd.

1980 – 1985
Studium Kunstgeschichte, Geschichte, Italienisch in Tübingen

1981
Gründungsmitglied der Musik-Comedy-Gruppe „Die Kleine Tierschau“, bis 2009.

Seit 1996
wohnhaft in Abtsgmünd-Laubach mit Kleinkunstbühne „Käsers Stall“.

1998
Gründung des schwäbisch-internationalen Duos Ernst und Heinrich (Sebastian-Blau-Preis 2006 und Kleinkunstpreis Baden-Württemberg 2007)

Seit 2006
Soloprogramm Unernst (Kleinkunstpreis Baden-Württemberg 2009)

Seit 2011
Vereinigtes Lachwerk Süd (mit dem Kabarettisten Werner Koczwara)

Wie ging die Familie denn damit um, dass Sie beruflich so oft unterwegs waren?

Meine Frau war meistens mit dabei, bis die Kinder da waren, dann bin ich in der Schulzeit unterwegs gewesen und die Familie war zuhause. Die war das ja gewöhnt, dass ich oft auf Tour war, und lange Zeit sind die Kinder sogar in den Ferien auch mitgefahren und mit auf Tour gewesen. So konnten die Kids zum Beispiel Berlin kennenlernen und dort etwas unternehmen. Bis sie halt nacheinander irgendwann keine Lust mehr hatten, mit dem Papa unterwegs zu sein. Überhaupt waren die Kinder, als sie jünger waren, voll bei meinen Programmen dabei, auch solo oder mit anderen Künstlern. Aber als sie Teenies waren, da war das vielleicht nicht mehr cool genug. Das hat schon ein kleines bisschen an mir genagt. Aber letztendlich konnten und können alle, wenn mal eines meiner Lieder lief, mitsingen. Also hören sie die Werke ihres Vater doch an, das freut mich immer sehr.

Stichwort Soloprogramm und Zusammenarbeit mit anderen Künstlern: Neben der Kleinen Tierschau starteten Sie Anfang der 1990er auch weitere Gruppen und waren auch damals schon als Solokünstler aktiv.

Ja, mit der kleinen Tierschau waren wir 35 Jahre auf der Bühne, bevor ich 2009 ausstieg. In dieser langen Zeit nutzt man sich gegenseitig irgendwann auch etwas ab. In so einer Gruppe gibt es ja nicht nur pure Harmonie, sondern es gibt die Hochs und die Tiefs und auch Reibereien, je länger man zusammenarbeitet. Und ich wollte einfach noch etwas mehr und auch anderes machen. Bei der Tierschau haben wir uns zwischen den Stücken, wenn die anderen ihre Kostüme wechselten, abwechselnd als Alleinunterhalter das Publikum bespasst. Da habe ich schon gemerkt, dass mir das wirklich liegt. Deswegen auch neben der Tierschau schon andere Projekte, bei denen ich entweder solo oder mit anderen Comedians, die ich kennenlernen durfte, auftrat. Immer mit einem eigenen Programm. Mit Heiner Reiff zum Beispiel als Duo „Ernst & Heinrich“ trete ich auch schon 20 Jahre auf. Wahnsinn. Mit Heiner war ich schon seit Ende der 1980er befreundet, und wir haben immer davon gesprochen, was gemeinsam zu machen. Und mit Werner Koczwara, den ich 2007 kennenlernte, entstand 2011 endlich das „Vereinigte Lachwerk Süd“. Und seit 2006 bin ich auch mit Soloprogramm unterwegs.

Oft auch auf Ihrer eigenen Kleinkunstbühne.

Ja, wir haben Käsers Stall seit 1996. Hier trete ich auf, aber auch andere Comedians und Künstler aus der Kleinkunstszene. Die meisten aus dem süddeutschen Raum, viele aus Baden-Württemberg. Unser „Stall“ ist nicht groß, sondern sehr familiär, in normalen Zeiten haben wir 70 Plätze. Aber die Nachfrage war und ist da. Unsere Vorstellungen waren meistens ausverkauft, und besonders schön waren die Sonntagsmatinéen, die momentan leider nicht stattfinden. Jetzt haben wir wieder ein Programm, an dem pro Vorstellung ca. 30 Personen im Zuschauerraum Platz nehmen dürfen. Deswegen gibt es es, sofern wieder erlaubt, zwei Vorstellungstermine pro Abend, was für den, der auf der Bühne steht, ganz schön anstrengend ist. Zweimal an einem Tag ein Programm mit eineinhalb Stunden zu absolvieren, das merkt man hinterher einfach. Aber wir nutzen es, wenn wir wieder Termine festlegen dürfen, und es kommt an. Die meisten Vorstellungen sind ausverkauft.
Meine Frau ist gerade ein bisschen traurig, weil alles nicht wie gewohnt läuft, denn sie hat natürlich sonst immer dekoriert. Das fällt jetzt wegen der ganzen Hygienevorschriften weg. Und auch die Bewirtung, die sie und meine Töchter machen mit belegten Brötchen und Getränken, ganz urig eben, kann momentan nicht stattfinden. Aber sobald alles wieder normal ablaufen darf, wird sie sicher wieder loslegen. Denn wie ich ist sie auch mit vollem Herzblut bei unserem „Stall“ dabei.

Sie sind ja nie vom Schwäbischen abgekommen, sondern nutzen den Dialekt in all Ihren Programmen.

Das ist richtig. Schon bei der Tierschau haben wir alles in Schwäbisch gemacht, und das mache ich auch weiter. Aber nicht weil der Dialekt so witzig ist und ich die Sprache in den Vordergrund stelle. Es ist einfach für mich authentischer, ich bin Schwabe, und warum soll ich das unterdrücken? Es macht mich als Person auf der Bühne einfach greifbarer, und es passt zu meinem Geschichten, die sich einfach um vieles aus meinem Alltag drehen. Der findet ja mitten in der Ostalb statt, mit allen Eigenheiten, die es so gibt. Und ja, manche Dinge lassen sich im Dialekt viel emotionaler beschreiben. „Seggl“ zum Beispiel. Das kann der Schwabe nett und neckend, aber auch böse meinen. Je nach Kontext. Das finde ich an Dialekten faszinierend. Wobei im Moment die Mundart-Comedy gar nicht so gefragt ist, wie sie es einmal war. Früher war das Schwäbische überall sehr beliebt, man wurde in ganz Deutschland gebucht. Das hat wirklich nachgelassen. Jetzt finden auch meine Auftritte vor allem im süddeutschen Raum statt. Das geht allen Mundart-Künstlern so, keine Ahnung, weshalb das so ist. Eventuell liegt es auch daran, dass so viel mehr Comedy-Programme stattfinden, live und auf großer Bühne. Und auch so unterschiedlicher Natur. Vielleicht ist das Angebot jetzt einfach so, dass die Leute sich noch viel genauer aussuchen können, worüber sie lachen möchten.

Mal sind es Stereotypen, mal auch Paradoxen des Lebens, um die es sich in Ihren Stücken und Programmen dreht. Sie haben keine feste Ausrichtung an Themen, mit denen Sie auftreten.

Nein, und das will ich auch nicht. Es gibt Künstler, die phantastisches politisches Kabarett machen oder die sich auf der Bühne immer in eine einzige Kunstfigur verwandeln. Politisches Kabarett war nie das, was ich machen wollte. Insgesamt verwende ich nur Ideen, bei denen ich nicht ins Negative komme. In meinen Stücken findet sich nichts, was mich total nervt. Denn mit nervenden Dingen will ich mich eigentlich überhaupt nicht beschäftigen, auch nicht auf der Bühne. Und mich nur auf eine Figur festzulegen, wäre mir zum einen ein bisschen zu langweilig, zum anderen ist es ungemein schwierig, für diese eine Figur immer neue Stücke zu finden, die dann auch das Publikum wieder begeistern. Ich wechsle während einer Aufführung zwischen verschiedenen Charakteren, und das macht mich freier in dem, was ich tue. Wobei das Schlüpfen von einer in eine andere Person auch anspruchsvoll ist.

Wie kommen Sie auf Ihre Themen? Wo lassen Sie sich inspirieren? Und wie entstehen neue Programme?

Inspiration finde ich schlicht überall. Man darf sich das auch wirklich so vorstellen, dass ich ständig Ideen für Stücke aufschreibe und diese Notizen sammle. Ausgearbeitet ist da aber noch nichts. Sortieren tue ich und die Stücke eines neuen Programms arbeite ich in Klausur aus. Ich ziehe mich dann wirklich ein paar Tage zurück in ein Kloster und sitze konzentriert bei der Arbeit. Erst schaue ich mir an, welche Ideen wohl gut funktionieren könnten, dann entsteht ein Programm, und dann werden die einzelnen Teile ausgearbeitet.

Und wann probieren Sie aus, ob die Stücke funktionieren?

Bei der Premiere! Ich feile und arbeite echt bis zum Schluss. Und ich bewunderte Menschen, wie zum Beispiel Werner, der schon 14 Tage vor Premiere fertig ist mit seinem kompletten Programm, aber das ist eben nicht mein Weg. Bei mir entsteht alles bis zur Bühne. Und da sehe ich dann auch, was ankommt, ob ich etwas verändern muss oder vielleicht ergänzen. Das ist ein andauernder Prozess. Natürlich zeige ich meiner Familie oder Freunden schon Ausschnitte, aber letztendlich zeigt mir das Publikum, wo noch nachjustiert werden muss. Ich probiere auch oft Neues in Zugaben aus. Wie das Publikum reagiert, ist für mich, für jeden Comedian einfach wichtig.
Dieses Jahr hatte ich ein paar Auftritte in einem Autokino. Und das war merkwürdig, weil man die Lacher nicht gehört hat. Die Reaktion der Zuschauer hat gefehlt, und das fand ich nicht so gut. 
Und ich bin auch immer sehr aufgeregt. Ein Programm von eineinhalb Stunden zu erstellen und dann auch vor Publikum aufzuführen, ist schon eine große Nummer, gerade als Solokünstler, wo man sich nicht gegenseitig die Bälle zuwerfen und die Hälfte der Zeit an den anderen übergeben kann. man muss nur mal versuchen, zwei Minuten frei zu sprechen. Dann erkennt man, welche Dimensionen eineinhalb Stunden haben.

Was gibt es im Moment von Ihnen zu sehen?

Ganz aktuell ist immer noch mein Soloprogramm „Gell“, das ich momentan zeige. Nächstes Jahr feiern wir mit dem Vereinigten Lachwerk Süd 20-jähriges Bühnenjubiläum, da werden wir auch ein Jubiläumsprogramm zum Besten geben. Und das Programm von Ernst und Heinrich „Nex verkomme lassa – die ersten 20 Jahre“ ist auch absolut aktuell, zumal wir das in diesem Jahr noch kaum aufführen konnten. Und zwischendurch arbeite ich auch an einem neuen Programm, das wahrscheinlich im Herbst 2021 fertig sein wird.

Wenn Sie jetzt zurückblicken: Würden Sie noch irgendetwas in Ihrem Leben anders machen, wenn Sie könnten?

Auf keinen Fall! Es war alles gut so, wie es war

Interview: Anja Deininger
Fotos: Andreas Wegelin

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