Im Profil

"Ich möchte weiterhin alles mit Optimismus angehen"

24.11.2021 | 08:52

Landratsamt Ostalbkreis
Stuttgarter Straße 41
73430 Aalen

Telefon (07361) 50 3 12 00
Fax (07361) 50 3 58 12 00

joachim.blaese@landratsamt.de

Am 12. September 2020 wechselte Dr. Joachim Bläse vom Amt des Ersten Bürgermeisters der Stadt Schwäbisch Gmünd zum Landrat des Ostalbkreises. Er empfindet eine große Dankbarkeit für die gute Aufnahme im Landratsamt. Der Schritt der Veränderung hat sich für ihn als positiv bewahrheitet. Nach einem Jahr Amtszeit blicken wir mit dem promovierten Rechtswissen­schaftler hinter die Kulissen.

Ein turbulentes Jahr liegt hinter Ihnen, die Corona­ Pandemie be­gleitet Sie seit dem ersten Tag. Doch welche Themen haben Ihren Arbeitsalltag außerdem geprägt?

Erstens die Sorge um den Arbeitsmarkt und die Wirtschaft: Die Krise in der Automobilindustrie betrifft auch viele hiesige Unternehmen. Doch das Kurzarbeitergeld und neue, innovative Produkte waren gute Hilfen für unsere robuste Wirtschaft.
Zweitens der Klimaschutz und die Nachhaltigkeit: Beides wurde von den jungen Leuten geprägt. Allerdings spielen sie auch in die Wirtschaft hinein. Daher habe ich eine Stabsstelle für Klimaschutz und Nachhaltigkeit im Umweltdezernat des Landratsamts eingerichtet.

Drittens das Miteinander in Ostwürttemberg: Es wurde die „Initiative Zukunft Ostwürttemberg“ auf den Weg gebracht. Wir wollen Produktion, Klima und Gesellschaft in Ostwürttemberg stärken, uns aber auch als Teil der Metropolregion Stuttgart präsentieren. Viertens die Begleitung der Kommunen: Wir werden in den Bereichen Kinderbetreuung, Wohnen, Breitband und Soziales viel voranbringen.

Sie arbeiteten vor Ihrer politischen Karriere als Rechtsanwalt. In wie­ weit hilft Ihnen das in Ihrem Amt und wo hindert es vielleicht auch? Was mussten Sie erst lernen?

Als Jurist lernt man zu strukturieren. Das ist geblieben. Ich gliedere meine Arbeit und kann Sachverhalte schnell erfassen. Zudem war Verschwiegenheit immer wichtig und ich möchte weiterhin zeigen, dass man Vertrauen in mich haben kann. Außerdem möchte ich als Landrat in gewissen Situationen Sinn und Zweck von Gesetzen hinterfragen. 
Recht sollte uns Menschen dienen und helfen. Es gilt also, Spielräume zu suchen.

Eine ausgewogene WorkLifeBalance ist mit dem prall gefüllten Kalender eines Landrats wahrscheinlich schwierig zu erzielen. Wie hat sich Ihr Leben verändert? 
Was machen Sie privat zum Ausgleich? Und was bietet der Ostalbkreis für Möglichkeiten?

Einmal pro Woche habe ich meinen Lauftreff, der ist heilig. Es ist wichtig für mich, denn ich will mich wohlfühlen und den Kopf freibekommen. Manchmal muss ich terminlich variabel sein, aber ich versuche es einzuhalten. Letztes Jahr bin ich mit meiner Familie viel gewandert. Der Ostalbkreis ist prädestiniert für das Wandern und Radfahren. Wir können vielleicht nicht alles anbieten wie Großstädte, aber unsere Umgebung ist unschlagbar. Mein Ziel ist es, dass den Leuten in der Phase nach den ersten Berufsjahren der Ostalbkreis als Ort zum Niederlassen einfällt.

In letzter Zeit fanden einige Bürgermeisterwahlen statt und man liest in den Wahlprogrammen „Stärkung und Wiederbelebung der Innenstädte“ bzw. „Grundversorgung der Gemeinde sichern“. Wie hilft der Ostalbkreis dabei?

Wenn Kommunen ein ähnliches Thema auf der Agenda haben, begleite ich sie, moderiere und bin bei der Suche nach Förderprogrammen behilflich. Die Frage ist, wo es kreisrelevant ist. Beispiele dafür sind die Innenstadtberatung, die der Regionalverband Ostwürttemberg anbietet, oder Kredite für Gastronomen in der Pandemiezeit. 

Demografischer Wandel, Gleichberechtigung der Frau, Integration und Inklusion – diese vier Punkte beschäftigen die Bürger*innen des Ostalbkreises. Was passiert in diesen Bereichen?

Natürlich merke ich, dass sich die Gemeinschaft im Ostalbkreis verändert. Wir müssen attraktive Angebote schaffen, um den Generationenvertrag zu erfüllen. Dazu gehört unter anderem das Bekenntnis zum Zuzug, auch aus dem Ausland. Warum können wir nicht definieren, wer mit welcher Qualifikation kommen darf?

Zum Thema Gleichberechtigung habe ich beispielsweise bei Besuchen in Vereinen in letzter Zeit bemerkt, dass es mehr Frauen gibt als früher. Vereine waren immer Männersache, das ist nicht mehr so. Ich möchte unterstützen, wo ich kann, wenn es um das Bekenntnis Familie und Beruf geht. Kinder sollen auch für Frauen im Beruf möglich sein durch passende Angebote.

Integration ist ein zentrales Thema, doch wir müssen Integrieren möglich machen. Die Menschen bringen Sprache, Kultur und Religion mit, wenn sie hier eine neue Heimat entdecken. Es gibt Werte, zum Beispiel im Grundgesetz, die sind nicht zu diskutieren, aber Integration bedeutet auch Bereicherung. Inklusion müssen wir bei Wohnen, Arbeit und Freizeit vor allem praktisch umsetzen. Es hilft nicht, eine UN-Charta zu unterzeichnen, aber keine Lösungen zu schaffen. Es ist noch ein weiter Weg. Ein besonderes Fördersystem ist notwendig, damit jeder Mensch seinen Platz in der Gesellschaft findet.

Während der Corona Pandemien erlebten zwei Begriffe einen unglaublichen Aufschwung: Solidarität und Regionalität. Wie erreichen Sie, dass die Wirkung nicht wieder abebbt?

Ich bin ein Anhänger der Familienpolitik. Intakte klassische und moderne Familien sind dauerhaft
belastbar. Zudem kann ehrenamtliches Engagement unterstützen, darf aber staatliche Aufgaben nicht ersetzen. Die Nachbarschaftshilfe ist eine tolle Sache und es wäre schön, wenn diese Solidarität bleibt. Wir müssen wahrnehmen, wie es anderen geht und wie wir helfen können.

Regionalität ist eine große Chance für den Ostalbkreis. Noch gibt es die Landwirtschaft. Wo unser Essen herkommt, ist ein gutes Thema für die Zukunft. Das gilt auch für den Tourismus: Was ist vor unserer Haustür? Wir haben eine vielfältige Gastronomie und grandiose Ausflugsziele. Wir sehen eine Chance in der Tourismusförderung, wenn das Heimische als Ziel in unserem Bewusstsein bleibt.

Kindern und Jugendlichen, aber auch deren Eltern, schwirrt aktuell der Kopf: (drohender) Fachkräftemangel in Kitas, Homeschooling/ Fernunterricht, Klimaschutz, Ausbildung/Studium, Berufschancen, Zukunftspläne. Was sagen Sie den jungen Leuten?

Die jungen Leute dürfen nicht als Verlierergeneration definiert werden, wir dürfen kein Stigma schaffen. Die letzte Zeit war schwierig und ich glaube, das drückt. Aber wir werden zeigen, dass die Chance da ist. Das geht nicht in zwei oder fünf Jahren, doch wir werden unsere Jugend mit der Jugendplanung und aktiver Unterstützung abholen und mitnehmen. Diese Generation hat keine ungewisse Zukunft, es gibt eine Perspektive und dazu ermutigen wir. Dabei ist der direkte Dialog wichtig.

Welche drei kurzfristigen Projekte und welche drei langfristigen Projekte liegen Ihnen für den Ostalbkreis besonders am Herzen?

Kurzfristig möchte ich die Jugend unterstützen, die Familie stärken und im sozialen Bereich vorankommen. Zudem freue ich mich wirklich auf 2023, wenn der Ostalbkreis sein 50. Jubiläum feiert. Der Ostalbkreis ist eine Erfolgsgeschichte. Deshalb dürfen wir uns ruhig zeigen und stolz sein auf unsere Identität. Langfristig möchte ich einen klimaneutralen Landkreis schaffen, die Infrastruktur mit Schiene, Rad und Verkehrswegen ausbauen und die Gesellschaft zusammenhalten, damit keine Gräben zwischen den einzelnen Gruppen entstehen.

Wenn morgen eine gute Fee auf Ihrem Schreibtisch landet und Sie haben als Landrat und als Privatperson jeweils einen Wunsch frei: Welche wären das?

Als Landrat wünsche ich mir, dass die 42 Städte und Gemeinden mit dem Kreis eine Gemeinschaft darstellen. Mit der längsten kriegsfreien Zeit, die wir je hatten, soll es Frieden und Wohlstand hier auch noch in 50 Jahren geben. Privat wünsche ich mir, dass die Familie zusammenhält und alle gesund bleiben. Und ich möchte weiterhin alles mit Optimismus angehen.

Interview: Antje Freundenthal
Fotos: Andreas Wegelin

zurück

Nach oben scrollen